Urlaubsrecht für Arbeitnehmer gilt bei starker Weisungsabhängigkeit auch für GmbH-Fremdgeschäftsführer

Urlaubsrecht für Arbeitnehmer gilt bei starker Weisungsabhängigkeit auch für GmbH-Fremdgeschäftsführer. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 25.07.2023, Az. 9 AZR 43/22).

Hintergrund der Entscheidung war ein Streit über die Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war seit 2012 als Geschäftsführerin beschäftig. Einzuhalten war eine tägliche Arbeitszeit von 7 Uhr bis 18 Uhr. Vormittags war sie verpflichtet, eine Kaltakquise durchführen, am Nachmittag hatte sie in eigener Initiative Leistungen anzubieten und wurde im Außendienst, zu Kundenbesuchen und mit Kontroll- und Überwachungsaufgaben eingesetzt. Sie musste wöchentlich 40 Telefonate und 20 Besuche nachweisen. Außerdem führte sie Vorstellungsgespräche und Einstellungsverhandlungen. Der Dienstvertrag sah ab einer sechsjährigen Betriebszugehörigkeit einen Jahresurlaub von 33 Tagen vor, der bei der Gesellschaft zu beantragen war. Im Jahr 2019 nahm die Frau elf Tage und im Jahr 2020 keinen Urlaub in Anspruch. Die Klägerin kündigte ihren Vertrag zum 30. Juni 2020. Ab dem 30. August 2019 bis zur Beendigung erbrachte sie keine Leistungen mehr und meldete sich krank. 

Nach der Rechtsprechung müssen Arbeitnehmer über ihre Urlaubsansprüche und einen drohenden Verfall unterrichtet werden. Unterlässt der Arbeitgeber diese ordnungsgemäße Aufklärung, so bleibt der Urlaubsanspruch bestehen und unterliegt lediglich den üblichen Regelungen der Verjährung.

Der Arbeitgeber muss daher 38,5 Tage Urlaub im Wert von 11.294,36 Euro brutto nebst Zinsen abgelten. Dieser Anspruch bestehe direkt aus § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Dies folge – unabhängig davon, ob die Klägerin nach nationalem Recht als Arbeitnehmerin anzusehen ist – aus einer mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie (RiLi 2003/88/EG) konformen Auslegung der Vorschrift. Dort ist geregelt, dass alle Arbeitnehmer vier Wochen Jahresurlaub erhalten.

Das BAG stellte darauf ab, dass das BUrlG die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie umsetzt. Daher sei der Anwendungsbereich, also die Frage, wer Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie ist, europarechtskonform zu bestimmen. Damit gilt die Definition des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Arbeitnehmer ist, wer "eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält", (EuGH, Urt. 04.02.2010, Az. C-14/09). 

Nach dem EuGH können von dieser Definition auch Mitglieder eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft erfasst sein und sich damit auf europarechtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften berufen. Denn die Eigenschaft als Arbeitnehmer iSd Unionsrechts hängt von den Bedingungen ab, unter denen ein zum Beispiel ein Geschäftsführer bestellt wurde, der Art der ihm übertragenen Aufgaben, dem Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, dem Umfang der Befugnisse des Mitglieds und der Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie der Umstände, unter denen er abberufen werden kann. In die Gesamtwürdigung der Umstände ist einzubeziehen, in welchem Umfang der geschäftsführende Gesellschafter über seine Anteile an der Willensbildung der Gesellschaft wahrnimmt. 

Demnach kam das BAG dazu, dass die Klägerin als Arbeitnehmerin anzusehen war, da sie strengen Weisungen unterlag. Das BAG hat sich damit der Sichtweise des BGH (Urt. v. 26.03.2019, Az. II ZR 244/17) angeschlossen. 

Fehlt es nun gegenüber GmbH-Fremdgeschäftsführern an einer entsprechenden Unterrichtung oder war diese nicht vollständig oder transparent, erlöschen nicht genommene Urlaubsansprüche nicht mit Ablauf des Kalenderjahres. Vielmehr werden die Urlaubsansprüche auf das nächste Kalenderjahr übertragen und entsprechend fortgeschrieben. Zuständig für die Information ist die Gesellschafterversammlung (Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG). Der GmbH-Fremdgeschäftsführer kann als Gläubiger der entsprechenden Informationen nicht gegenüber sich selbst die Verpflichtung erfüllen.  

Sie haben noch Fragen? Ihr Ansprechpartner ist Dr. Bernd Dollmann 07931 / 9702 - 11 (Frau Korkes)

Save the Date: Personaltag am 10./11.10.2024

Den Flyer der letztjährigen Veranstaltung finden Sie hier