Datenschutz ist kein Täterschutz!

Überwacht der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit einer Kamera und weist er durch Schilder darauf hin, ist die Videoaufzeichnung zum Beweis eines Fehlverhaltens verwertbar, entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 29.06.2023. Dies gelte auch dann, wenn die Überwachung gegen Datenschutzrecht verstoßen sollte.


Ein, in einer Gießerei beschäftigter, Mann soll vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen und später trotzdem Lohn für die Schicht kassiert haben. Ein schwerer, womöglich sogar strafrechtlich relevanter Vorwurf, der zur sofortigen Kündigung berechtigen könnte. Das hatte zumindest der Werksbetreiber so gesehen und dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Ein anonymer Hinweis hatte den Arbeitgeber auf ein Video einer am Tor des Geländes angebrachten Überwachungskamera gestoßen, welches den vorzeitigen Feierabend des Mannes belegen sollte.
Videoaufnahmen zu lange gespeichert

Der Mann reichte Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein und trug vor, ordnungsgemäß zur Arbeit erschienen zu sein. Als der Werksbetreiber das Video zum Beweis des "wichtigen Grundes" zur Kündigung in die Verhandlung einführen wollte, widersprach der Mann der Verwertung der Aufzeichnung.

Die Überwachung verstoße gegen Bundes- und EU-Datenschutzrecht. Auch seien die Aufnahmen zu lange gespeichert worden: Hinweisschilder hätten eine Speicherdauer von 96 Stunden ausgewiesen, die hier überschritten worden sei. Zudem hatte in einer Betriebsvereinbarung gestanden, dass die Videoaufzeichnungen nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürfen.

Aus diesen Verstößen sowie der Betriebsvereinbarung folgerte der Arbeitnehmer, dass die Aufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess einem Verwertungsverbot unterlägen. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen schlossen sich dieser Auffassung an und gaben der Kündigungsschutzklage statt (Urt. v. 06.07.2022, Az. 8 Sa 1149/20).
Das BAG sah dies nun anders, hob die Entscheidung des LAG auf und verwies die Sache an dieses zurück. Es spiele "keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach", heißt es in einer Pressemitteilung des BAG. Einer Verwertung der personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers durch die Gerichte für Arbeitssachen stehe die DSGVO nicht entgegen. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – ein vorsätzliches Fehlverhalten in Rede stehe und die Videokamera durch ein Schild ausgewiesen "und auch sonst nicht zu übersehen" sei.

Ein möglicher Datenschutzverstoß – über den das Gericht aufgrund seiner Rechtsauffassung hier nicht abschließend entscheiden musste – führt laut BAG also nicht automatisch zum Beweisverwertungsverbot. Vielmehr müsse das Tatsachengericht – wie bei nicht normierten Verwertungsverboten im Strafprozess auch – die widerstreitenden Interessen abwägen.Im Prozess um eine fristlose Kündigung wegen eines vorsätzlichen Fehlverhaltens wiegt das Interesse nach Auffassung des BAG des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts stärker als die Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Dies sei nur dann nicht der Fall, "wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall", so die Pressemitteilung des BAG. Als maßgebend dafür erachteten die Erfurter Richter u.a. die Offenkundigkeit der Überwachung (BAG, Urt. v. 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22).

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